23. Juni 2025
Karlsfeld/München
„Pflege braucht Vernetzung und Wissensaustausch um die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen“
Interview mit Iris Schoones, Policy Officer International Affairs Germany & Life Sciences and Health, Provinz Noord-Brabant. Sie arbeitet im Bereich Wirtschaftsförderung und in ihrer Rolle verantwortet sie internationale Kooperationen, insbesondere mit Deutschland. Ein zentrales Anliegen ihrer Arbeit: Innovationen durch länderübergreifende Zusammenarbeit schneller und nachhaltiger voranzubringen.
Frau Schoones, wie sind Sie auf das Projekt Pflege2030 aufmerksam geworden?
Über unsere Kontakte bei navel robotics. Sie haben uns die Idee gegeben, die Modelleinrichtung Haus Curanum Karlsfeld zu besuchen. Zu sehen, wie so ein Projekt in Deutschland angegangen wird, hat sofort unser Interesse geweckt, da wir einige Personen aus dem Pflegebereich in der Delegation hatten. Denn in Europa stehen wir alle vor denselben Herausforderungen im Pflegesektor, gehen sie aber noch zu wenig gemeinsam an.
Wie war das Feedback der Delegation auf den Besuch? Was hat besonders beeindruckt?
Die Teilnehmenden waren wirklich begeistert. Besonders beeindruckend war, wie selbstverständlich im Haus Curanum technologische Innovationen in den Pflegealltag integriert sind – und das in einem ganz normalen Pflegeheim. Es war schön zu sehen, wie sehr die Pflegekräfte hinter den Technologien stehen und davon überzeugt sind. Sie wurden nicht einfach „übergestülpt“, sondern gemeinsam ausgewählt, getestet und angepasst. Dadurch gibt es echte Begeisterung. Auch die Bewohner:innen wurden mitgenommen. Diese Haltung, dass Pflegekräfte nicht nur Anwendende, sondern Mitgestaltende sind, war ein starkes Signal. Auch, dass wir überall reinschauen durften, war wirklich toll.
Gab es etwas, das Sie persönlich besonders überrascht hat?
Ja, wie viele Innovationen in relativ kurzer Zeit erprobt wurden. Und dass die Einrichtung nicht nur ausprobiert, sondern auch systematisch Rückmeldung gibt: Was hat funktioniert? Was nicht? So entsteht ein Modell, an dem sich auch andere Einrichtungen orientieren können ohne alles selbst von Grund auf testen zu müssen. Dass es sich dabei um ein klassisches deutsches Pflegeheim handelt, macht es umso authentischer. Es zeigt die Realität und was trotz Herausforderungen möglich ist.
Welche Aspekte aus dem Pflege2030-Modell wären aus Ihrer Sicht auf die Niederlande übertragbar?
Viele. Besonders der strukturierte Umgang mit Innovationen, die Einbindung des Personals, aber auch der ganz praktische Austausch von Wissen. Eine Handreichung, wie es im Projekt Pflege2030 geplant ist, wäre auch für uns sehr hilfreich. Was wir mitnehmen: Es braucht Menschen und Organisationen, die offen sind für neue Ideen und bereit, gemeinsam nach vorn zu schauen und die Herausforderungen anzugehen. Genau solche Kontakte konnten wir auf dieser Reise knüpfen.
Wie wird in den Niederlanden über den Einsatz von Robotik oder KI in der Pflege diskutiert?
Technologisch sind unsere Einrichtungen teils etwas besser ausgestattet, das macht die Einführung neuer Technologien etwas einfacher. Aber auch bei uns müssen wir Überzeugungsarbeit leisten: Pflegekräfte müssen verstehen, dass Roboter keine Konkurrenz sind, sondern Unterstützung bieten – damit sie wieder mehr Zeit für das Wesentliche haben. Die Geschichte, die man erzählt, ist entscheidend. Bei uns wie in Deutschland.
Wo sehen Sie Chancen und Grenzen der Digitalisierung in der Pflege?
Die große Chance ist, dass Technologie Pflegekräfte entlastet. Kleine Ideen können große Wirkung haben, wenn man sie gemeinsam mit Personal, Angehörigen und Bewohner:innen entwickelt. Grenzen setzen uns dabei vor allem ethische Fragen rund um Datenschutz und menschliche Nähe. Digitalisierung darf nicht über die Menschen hinweg entscheiden. Aber mit Augenmaß umgesetzt, kann sie viel bewegen.
Wie wichtig sind Modellprojekte wie Pflege2030 für den Wandel in der europäischen Pflege?
Sie sind enorm wichtig, weil sie uns zeigen, was möglich ist. Aber vor allem, weil sie den Austausch fördern. Alle Länder haben die gleichen Herausforderungen, doch wir reden zu wenig miteinander. Solche Delegationsreisen ermöglichen persönliche Kontakte, offene Gespräche und das Teilen von Best Practices. Und sie helfen uns, voneinander zu lernen – auch von den Fehlern. Damit nicht alle in die gleichen Fallen tappen und Innovationen schneller umgesetzt werden können. Es ist wichtig auch beim Thema Pflege europäisch zu denken, Informationen auszutauschen und Synergien zu finden. Denn Pflege kann diese Zukunftsaufgabe nicht allein bewältigen. Es braucht die Zusammenarbeit von Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und der Pflege selbst. Genau das zeigt Pflege2030.